Führung ist Chefsache – aber was bedeutet das eigentlich? Während wir unsere Assistenten und ebenso unsere Datenschutzbeauftragten regelmäßig schulen oder auf Seminare schicken, wird bei Führungskräften spätestens nach ihrer Beförderung stillschweigend und automatisch vorausgesetzt, dass diese sich selbst und andere vorbildhaft führen. Frei nach einer alten Überaschungsei-Werbung: Das sind ja gleich drei Dinge auf einmal! Sich selbst führen – andere führen – und dabei auch noch Vorbild sein!
Tatsächlich sind das ja auch die zentralen Aufgaben einer Mitarbeiter- und Ziel-orientierten Führungskultur. Sie soll nachhaltig sein, authentisch und vor allem situationsgerecht. Führen heißt, andere Menschen dafür zu begeistern, dass sie die Ziele ihres Verantwortungsbereiches wertschöpfend erfüllen. Nur selten wird die Führungskraft auf diese Aufgaben auch gezielt vorbereitet. Weder im Studium noch in der Ausbildung. Gute Führung ist daher Chefsache und beginnt in der Eigenverantwortung von uns selbst.
Vielleicht haben Sie ein Wirtschafts-Studium absolviert, vielleicht eine Ausbildung gemacht, vielleicht haben Sie sogar einen Meisterbrief in der Tasche. Und vielleicht haben Sie im Rahmen Ihres Werdeganges einmal den Begriff „Personalmanagement“ gehört und sogar eine Klassenarbeit, Klausur oder Hausarbeit darüber geschrieben. Das ist durchaus hilfreich und wichtig – nur für die Anforderungen der heute dynamischen – oft auch agilen Welt nicht mehr genug. Wir leben in permanenten Zeiten der Veränderung. Wandel ist die vielleicht einzige Konstante der heutigen Zeit.
Alles wandelt sich pausenlos
Während wir in der Schule noch die „Zwiebel“ des demographischen Wandels gemalt haben, uns aber offen gestanden selten wirklich ein Bild von der Dramaturgie dieses Szenarios machen konnten – ist der demographische Wandel heute so allgegenwärtig wie Wolken am Himmel. Aber sind wir deshalb besser darauf vorbereitet? Haben wir die Thematik „auf dem Schirm“?
Was heißt „demographischer Wandel“ für Führungskräfte?
Was heißt es für den eigenen Arbeits-Alltag, vor allem aber für das heutige Team und für das zukünftige? Und was bedeutet es für die Anforderungen, die wir an heutige und künftige Mitarbeiter stellen wollen und können? Und auch dürfen? Was darf ich denn noch erwarten? Oder sind Erwartungen in der heutigen Generation-X-Y-Z-Welt gar verpönt, weil sie Menschen „unter Druck“ setzt, sie in Bahnen lenkt, die sie nicht mehr wollen. Und sie können es sich leisten, zu wollen oder nicht zu wollen.
Wir haben eine Arbeitnehmerwelt. Gerne auch im Jargon „Arbeitskräfte-Mangel“ oder „Fachkräfte-Defizit“. Dann wühlen wir uns durch Themen wie Talent-Management, War for Talents oder Pool für High Potentials. Und das alles mit ein paar Stunden „Personalmanagement“ auf dem Buckel. Aber Gott sei Dank gibt es das Internet. Da findet sich schon alles irgendwie. Wenn man mal kurz bedenkt: Kein Maschinenbauer lässt einen Azubi an dessen ersten Arbeitstag auf eine teure Fräs-Maschine los. Viel zu gefährlich, was da alles kaputt gehen kann! Eine frischgebackene Führungskraft dagegen lassen wir vielfach an ihrem ersten Tag auf Menschen los. Tja. Auch da kann viel kaputt gehen. Das merken wir nur häufig viel zu spät.
Was also tun mit unserem Wissen über „Personalmanagement“? Verwenden. Keine Frage. Und ergänzen um den nicht mehr wegzudenkenden Faktor Führung, Leadership, Menschen-Magnet,… You name it. Natürlich müssen wir managen, das steht außer Frage. Es muss uns nur in unserer modernen Welt, in der wir manchmal die Gratwanderung zwischen geradlinig und Kuschelkurs nicht mehr schaffen, endlich gelingen, den Begriff „Manager“ aus der Schmuddelecke zu holen.
Ein Manager ist nicht per Definition ein Mensch, welcher mit der Stahlbürste durch das Unternehmen fegt. Er ist nicht qua Amt kühler als ein Gefrierfach. Er ist im Übrigen auch nicht Geburts-bedingt mehr zwingend ein Mann. (Ja, davon haben wir schon gehört und gelesen, dass auch Frauen es in diverse Welten bis hin zu Aufsichtsräten schaffen – wir wollten es nur der Vollständigkeit halber noch einmal erwähnt haben…).
Aber was ist ein Manager dann? Jemand, der managed. Ganz einfach. Ja, wir haben Teams zu führen, und ja diese bestehen (noch) im Wesentlichen aus Menschen. Aber – und jetzt wird es politisch gefährlich – sind wir doch ehrlich: am Ende des Tages wird jeder am Ergebnis gemessen. Am eigenen Ergebnis und am Gesamt-Ergebnis des Unternehmens. Und bei allem Fachkräfte-Mangel wissen wir doch auch: je höher die Luft, desto dünner. Also ja, wir haben Zielvorgaben und diese zu erfüllen ist dabei nur die Minimal-Anforderung. „To exceed“ ist das Mittel der Wahl – Anglizismen in unser modern-international-digitalen Welt eingeschlossen.
Der Mensch also im Hintergrund?
Die digitale Welt holt uns ein? Die digitale Welt kommt nicht – sie ist bereits da. Das einmal vorneweg. Aber der Mensch im Hintergrund? Im Gegenteil. Der Mensch war noch nie so sehr in den Mittelpunkt zu rücken wie heute. Ja, wir brauchen Prozesse, Abläufe und Strukturen. Und häufig sind sie Makulatur bis sie auf dem Papier stehen. Es deshalb zu lassen, ist aber keine gute Idee. Sich der Geschwindigkeit anzupassen und Speed aufzunehmen schon eher. Dafür brauchen wir die richtigen Methoden, und dann geht das schon.
Wer schon einmal Kajak gefahren ist, weiß: in dem Moment, in dem ich auf eine Stromschnelle zufahre, gibt es nur eins: Paddeln! Gas geben, alles geben! Ich muss schneller sein als das Wasser, sonst wirft mich dasselbe um. Keine Sorge, das wird keine „immer-schneller-immer-besser“-Antrittsrede. Im Gegenteil. Es ist die Aufforderung den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken. Es ist der Wunsch, die Schöpfungsgeschichte abzuwandeln.
Der Mensch als Vermögenswert
Kaufen wir eine Maschine, verbuchen wir diese im Anlage-Vermögen. Stellen wir einen Mitarbeiter ein, verbuchen wir ihn unter Personal-Kosten. Maschine gleich Vermögen – Mensch gleich Kosten. Betrachten wir Menschen als rein betriebswirtschaftliches Gut, wird es schwierig mit der ach so wichtigen „Mitarbeiter-Bindung“. Da bringt uns auch das angesagte „Employer-Branding“ nicht weiter. Ein schönes Wort ist so hilfreich wie Make-up. Auf den ersten Blick hübsch und nützlich in der Akquise – aber ist es erst einmal abgewaschen, bleibt nur das Ehrliche und Echte übrig. Und das sollte natürlich schön sein.
Und da stehen wir wieder am Anfang der Geschichte. Neben einem fokussierten Management brauchen wir für nachhaltigen Erfolg auch Führungsqualitäten. Und die müssen wir uns irgendwie aneignen. Wir wissen das und behandeln das Thema dennoch stiefmütterlich. Im besten Fall resultiert ein Vorsatz, der beginnt mit „ich sollte gelegentlich…“ oder in der vermeintlich verbindlichen Form von „mein nächster Schritt ist…“.
Nur leider kommt es zu diesem nächsten Schritt so gut wie nie. Nicht, weil wir nicht wollten. Sondern weil pausenlos etwas Dringendes dazwischenkommt und unsere Planung über den Haufen wirft. Als Manager also aktiv – als Führungskraft in der Selbstentwicklung aber ferngesteuert?
Führung ist Chefsache - Führen Sie sich selbst, sonst folgt Ihnen keiner
Wenn wir für eine Sache konsequent keine Zeit haben, heißt das übersetzt nichts anderes als, etwas anderes ist uns eben wichtiger. Das ist so und das müssen wir uns auch eingestehen. Dann können wir die Zügel auch wieder in die Hand nehmen und das fühlt sich gut an. Nicht, dass es die Garantieerklärung für Erfolg wäre – es schafft aber die wesentliche Voraussetzung dafür. Führung heißt natürlich andere Menschen zu führen, Teams zu lenken. Aber eben nicht nur. Das fast schon garantierte Mittel wirksamer Führung ist das persönliche Vorleben. Das Vorbild sein.
Und somit heißt gute Führung zuallererst einmal, sich selbst zu führen. Fokussiert. Ziel-orientiert. Klar. Wo stehe ich und wo will ich hin? Wofür stehe ich und woran will ich mich messen lassen? Habe ich Mit-Arbeiter oder sind wir ein Team? Und steht Team bei mir für „Toll, ein anderer macht’s“ oder für „Together everyone achieves more“? Und wenn ich das entschieden habe und mein Ziel vor Augen sehe, dann muss ich es kommunizieren. Ich muss schauen, wer mich auf dieser Reise begleiten will und wen ich dabeihaben möchte. Vor allem aber muss ich mich immer wieder aufs Neue zentrieren. Immer wieder in den Spiegel schauen und mich fragen, wofür ich angetreten bin. Was ich bewirken will in meinem Leben, in meinem Job, für und mit meinem Team und für das gesamte Unternehmen.
Und schon wartet die nächste Herausforderung auf Führungskräfte. Denn auf der einen Seite soll sie ja verbindlich sein. Und ein Stück weit berechenbar. Denn ist sie das nicht, stellt sie ihr Team vor unnötige Reibungsverluste in zwischenmenschlichen K.O.-Szenarien, die Energie in Psycho-Spielchen bindet anstatt sie auf das gemeinsame Ziel auszurichten.
Führungskräfte sind flexibel und verbindlich
Und wer kennt nicht diese Szenarien: „Hast Du den Chef heute schon gesehen? Wie ist er denn drauf? Meinst Du, ich kann ihn heute bezüglich des neuen Projektes fragen, oder lieber nicht?“ Und schon geht sie los, die informelle Informations-Verbreitung und Interpretation. Gespräche werden an der Kaffee-Ecke geführt und Ergebnisse gibt es keine – sondern nur Vermutungen. Das kostet uns neben Geld unser heute vielleicht wertvollstes Gut: es kostet Zeit. Also werden wir als Führungskraft wieder berechenbarer!
Es spart Zeit und Geld und zahlt direkt auf unser Erfolgskonto ein. So weit so gut. Während eine Führungskraft also einerseits verbindlich sein soll, ist Flexibilität die parallel genannte Mindestvoraussetzung. Das findet sich in jeder Stellenbeschreibung. Ein Wort so weit wie der Indische Ozean. Und genau so wenig zu greifen oder gar festzunageln.
Führung ist eine Entscheidung
Die Erdkugel braucht ein Jahr um sich einmal um die Sonne zu drehen. Wir brauchen manchmal nur Sekunden um ganze Welten zu ändern. Als Führungskraft kann ich mich darüber ärgern – ich kann es aber nicht ändern. Was ich sehr wohl kann, ist damit umgehen und entscheiden, wie ich darauf reagiere. Wenn wir erkennen und anerkennen, dass wir kaum etwas ändern, sehr vieles aber steuern können, wird es spannend! Und es wird befriedigend. Wir müssen uns von keiner noch so modernen Veränderung etwas diktieren lassen. Wir sollten aber offen sein, für das, was da kommt. Ob wir uns darauf einlassen oder nicht, ist unsere Entscheidung. Und die hat – wie jede Entscheidung in unserem Leben – einen Preis. Den gilt es zu zahlen. Die Minimal-Form eines Preises ist bekanntermaßen: entscheide ich mich für eine Sache, dann entscheide ich mich nahezu immer automatisch gegen eine andere. Gelegentlich hören wir dann „nicht zwingend – man kann doch auch beides haben“ – mag sein, aber in welcher Qualität? Und auf wessen Kosten. Einen Preis bringt eine Entscheidung immer mit sich. Und führen heißt mitunter genau das: Entscheiden.
Typische Fehler von Führungskräften
Nichts ist doch verheerender als eine Führungskraft, die keine Entscheidungen trifft. Ein Chef, der aussitzt. Der sein Team abspeist mit Floskeln wie „Schöner Ansatz! Das schauen wir uns gelegentlich näher an.“. Was ist „näher anschauen“? Und wer ist „wir“? Und was fange ich mit dem „Ansatz“ an? Weitermachen? Abwarten? Neuen Termin ansetzen? Wer keine Entscheidungen trifft, der bremst sein Team aus. Und wer keine Entscheidungen trifft, fördert Unmut und Frust in der Mannschaft. Wer keine Entscheidungen trifft, stellt schon mittelfristig sicher, dass keine Ideen mehr generiert werden. Zumindest werden sie nicht mehr vorgetragen. Kaum ein Konzern existiert heute, in dem der Satz „Ich wüsste ja wie – aber mich fragt ja keiner“ nicht genau so an der Tagesordnung wäre wie das Ein- und Ausstempeln. Und in Teams und am Ende in Unternehmen, in denen Ideen nicht mehr vorgetragen werden, weil es gefühlt ohnehin zwecklos ist, brauchen wir über Innovation nicht zu sprechen. Können wir uns Zielsetzungen wie „werden wir zu einer lernenden Organisation“ sekündlich schenken. Brauchen wir uns über Wachstum keine Gedanken zu machen. Und brauchen wir uns schon gar keine Sorgen zu machen über Wandel von außen. Denn der ist nicht unser Problem.
Change-Management hilft dann auch nicht mehr, wenn das Rad erst zum Stillstand gekommen ist. Das ist wie mit dem Fahrrad den Berg hochzufahren und mittendrin abzusteigen. Bis man jetzt wieder in Gang kommt und gar Fahrt aufnimmt, da vergeht Zeit. Und es kostet Kraft. Unfassbar viel Kraft. Keine Entscheidungen zu treffen, bremst also aus. Dauerhaftes Bremsen führt zu Stillstand.
Stillstand ist frustrierend. Immer.
Manche bleiben dann und jammern. Gern über die guten alten Zeiten. Als Anstand noch was wert war. Als man noch froh war, wenn man einen Job hatte. Und nicht pausenlos zum Job-Hopper wurde, wenn mal was nicht so läuft. Als man sich noch zusammengerissen hat. Jawohl. Als eine ordentliche Handschrift noch was gezählt hat – und man nicht pausenlos am Handy oder Computer hing. Als man noch Steine klopfte? Ja, manche bleiben.
Manchmal sind es die treuen Seelen. Manchmal sind es aber auch die, die nicht wüssten, wohin sonst. Und manchmal sind es die, die gerne jammern. Es ist auch so viel leichter als eine Entscheidung zu treffen. Denn wie war das? Eine Entscheidung hat einen Preis… Es gibt aber auch die, die dann gehen. Und das sind meist die, die wir gern behalten würden. Die Beweger, die Macher. Sie gehen dahin, wo sie ihresgleichen finden. Beweger und Macher. Entscheider. Sie gehen dahin, wo sie ihre Führungskraft als Vorbild empfinden.
Diese Menschen gehen zu einer Führungskraft, die ihren Stempel nicht auf der Visitenkarte vor sich herträgt. Sie gehen zu echten Leadern – zu Führungspersönlichkeiten. Zu Menschen, die Ziele haben. Nicht nur für das Unternehmen, sondern für sich selbst. Die auch träumen und diesen Träumen Termine geben. Solche, die Visionen haben. Echte. Die Strategien bauen, dabei aber nicht in Schönheit sterben, sondern anfangen. Menschen, die einfach machen. Und die dabei auch Fehler machen. Nur nicht zweimal den gleichen. Die auch Fehler zulassen. Und sich sogar aktiv wünschen.
Große Leader sind Führungspersönlichkeiten und leben für gute Führung
Neben einem Leitbild für ihr Unternehmen, ihre Abteilung oder ihr Team, haben Sie insbesondere ein persönliches Leitbild. Das kommunizieren sie zwar – bräuchten sie aber gar nicht. Man erkennt auch so, woran sie sich messen lassen. Denn sie leben ihre Werte ganz einfach vor. Leader führen Teams. Große Leader führen sich selbst zuallererst. Und die Menschen folgen freiwillig. Denn Gefolgschaft kann ich nicht erzwingen.
Führung ist Chefsache … Führen Sie sich selbst, sonst führt Sie keiner.